Nachhaltig sicheres Radfahren
Warum die Niederländer selten Fahrradhelme tragen
Radfahren ist Lebenseinstellung
Das Radfahren ist tief in der niederländischen Kultur verwurzelt. Die Niederländer wachsen quasi mit dem Fahrrad auf und Radfahren gehört ebenso zum Leben mit dazu wie das Feiern am Königstag oder das Bootfahren. Man fährt als Kind wie selbstverständlich mit dem Rad zur Schule und zum Sport, später dann zum Einkaufen und zur Arbeit, ja sogar voll gestylt mit Kleid und frisch gemachtem Haar zum Konzert oder zum Besuch bei Freunden. Bis ins hohe Alter bleibt das „Fiets“, wie die Niederländer ihr Fahrrad liebevoll nennen, ständiger Begleiter.
Die Niederländer können es eigentlich überhaupt nicht verstehen, dass man sich in anderen Ländern so sehr diesbezüglich mit ihnen beschäftigt, denn Radfahren ist hier eine Lebenseinstellung und damit mehr als nur ein Hobby, eine Sportart oder ein Fortbewegungsmittel.
Nicht ohne Grund gibt es in der Niederlanden mehr Fahrräder als Einwohner. Nirgendwo auf der Welt ist die Fahrraddichte so hoch wie hier. Statistisch gesehen besitzt jeder der 17 Millionen Niederländer 1,3 Fahrräder. Von diesen 21 Millionen Rädern werden alleine in Amsterdam jährlich ca. 25.000 in den Grachten versenkt, also fast 70 pro Tag.
Antizipation
Schaut man z.B. den Amsterdamern dann beim Radfahren zu, bemerkt man zwar einerseits eine gewisse Hektik, andererseits aber auch einen Flow wie bei einem Schwarm kleiner Fische im Meer. Sie scheinen untereinander verbunden zu sein und wie selbstverständlich achtet jeder auf den anderen. Und das gilt ebenso für Autofahrer, da jeder Autofahrer auch gleichzeitig Radfahrer ist.
Verkehrssicherheit
In den 60er und 70er Jahren führten einerseits die stetig steigende Beliebtheit des Fahrrads und andererseits der zunehmende Autoverkehr und die einseitige Ausrichtung der Innenstädte auf das Auto zu immer mehr Verkehrstoten. Proteste im Land waren die Folge. Diese und die daraus resultierenden Überlegungen führten zu der Einsicht, dass man die Verkehrssicherheit insbesondere für Fußgänger und Radfahrer dauerhaft verbessern müsse.
Nachhaltige Sicherheit (Sustainable Safety)
Die Niederlande entwickelten deshalb eine Vision der nachhaltigen Sicherheit zur Verbesserung der Verkehrssicherheit. Es ist eine Vision, die auch von vielen Verkehrssicherheitsexperten in anderen Ländern geteilt wird. Ein nachhaltig sicheres Straßenverkehrssystem verhindert Verkehrstote, Schwerverletzte und bleibende Verletzungen, indem es die zugrunde liegenden Risiken des gesamten Verkehrssystems systematisch reduziert. Dabei stehen menschliche Faktoren im Vordergrund. Ausgehend von den Bedürfnissen, Kompetenzen, Einschränkungen und Verletzlichkeiten der Menschen kann das Verkehrssystem realistisch angepasst werden, um ein Höchstmaß an Sicherheit für jeden Einzelnen zu erreichen.
Im Zuge der Anpassungen wurde die Radverkehrsinfrastruktur landesweit standardisiert. Radwege, Fußwege und Autostraßen verlaufen beispielsweise weitgehend getrennt. Teilweise werden innerstädtische Straßen ganz in Fahrradstraßen („fietsstraat - auto te gast“) umgewandelt.
Meredith Glaser
Bei YouTube findet man zu diesen Konzepten viele aufschlussreiche und absolut sehenswerte Videos der Professorin Meredith Glaser aus Amsterdam. Einfach bei YouTube nach „Meredith Glaser“ suchen!